Sechs Bronzestelen erinnern an die Amok-Opfer in Trier
Gut dreieinhalb Jahre nach der Katastrophe von 2020 nimmt die Gedenkstätte Gestalt an. Was ein aus Tawern stammender Kunstgießer mit dem Werk zu tun hat, und für wann die Einweihung geplant ist.
Fröhliche Gesichter und Lachen an der entstehenden Gedenkstätte für die Opfer der Amokfahrt. Wie passt das zusammen? Clas Steinmann (83), der das Denkmal geplant hat, erklärt den scheinbaren Widerspruch so: „Ich freue mich, weil das Werk nun Gestalt annimmt und endlich vor seiner Fertigstellung steht. Aber der Anlass, warum es entsteht, ist selbstverständlich kein Grund zur Freude. Dieses Verbrechen ist durch nichts zu entschuldigen.“
Nach neuen Erkenntnissen sieben Todesopfer hat die Amokfahrt vom 1. Dezember 2020 gefordert. Rund 200 Menschen wurden zudem physisch und psychisch verletzt.
Gut dreieinhalb Jahre später nimmt die auf Initiative der Stadt entstehende öffentliche Gedenkstätte Gestalt an.
Am späten Montagvormittag rollt ein Kleintransporter mit Anhänger an der Ecke Rindertanzstraße/Porta-Nigra-Platz an. Die Ladung: Sechs Bronzestelen – zentrale Elemente des Gedenkortes. Der Mann der sie nach Entwürfen von Clas Steinmann in seinem Betrieb Kunstguss Kastel im Wiesbadener Stadtteil Mainz-Kastel hergestellt hat, kennt sich bestens aus im Raum Trier: Bernd Hettinger (68) stammt aus Tawern. Aber alle Ortskenntnis hilft nicht viel, wenn es unterwegs einige Staus gibt und die Fracht auf freier Strecke nicht mit hohem Tempo befördert werden kann. „Schön, dass ihr die Porzellankiste heil nach Trier gebracht habt“, begrüßt Steinmann Hettinger und dessen Mitarbeiter Ramón Loesch (24).
Viel Zeit zum Plaudern bleibt nicht. Nur gut zweieinhalb Stunden Zeit haben die beiden Hessen noch, um die Stelen abzuladen, in Stellung zu bringen und zu montieren. Ein Kraftakt in brütender Hitze und ohne Schatten. Jeweils 120 Kilogramm einschließlich Grundplatte aus rostfreiem Edelstahl wiegen die 2,80 Meter hohen Gebilde.
Aufgestellt werden sie als Siebeneck. Die sechs Stelen bilden einen Kreis . Platz sieben bleibt frei. Durch ihn kann man den Innenraum betreten. „Man wird Teil des Kreises und damit Teil einer empathischen und solidarischen Gemeinschaft. Schließlich geht es um Anteilnahme, Trauerbewältigung, Trost und Versöhnung“, beschreibt Steinmann die Intention, die seiner Planung zugrunde liegt.
Der Grund für die Zeitnot: Für 14 Uhr ist die Presse eingeladen. Auch Oberbürgermeister Wolfram Leibe und Hinterbliebene der Opfer wollen sich dann ein Bild vom Gedenkort machen – und dann muss natürlich was zu sehen sein.
Hettinger (der nach Plänen Steinmanns auch das bronzene Mahnmal für deportierte Sinti und Roma gegossen hat) und sein Mitarbeiter legen eine zeitliche Punktlandung hin. Punkt 14 Uhr stehen alle Stelen und sind fest verankert. Steinmann fällt „ein Stein von Herzen. Dies ist für mich der vorläufige Schlusspunkt unter einen drei Jahre dauernden Entstehungsprozess mit vielen Beteiligten“, vor allem den Angehörigen der Opfer. Das, was nun entsteht, sei das Resultat zahlreicher Abstimmungsgespräche.
Das betreffe auch den Standort zwischen der neuen City-Toiletten-Anlage und Freiluft-Gastronomie. Als Alternative hatte die Stadt einen Platz im Grünstreifen der Theodor-Heuss-Allee vorgeschlagen, der jedoch keine Zustimmung fand.
So befindet sich der Ort zum Gedenken an die Toten und Verletzten mitten im pulsierenden Leben. Fertig ist er noch nicht. Bis Ende der Woche werde es noch dauern, bis der Bauzaun verschwindet, schätzt Mathias Follmann (32) von der mit den Tiefbaugewerken betrauten Trierer Firma Christoph Schnorpfeil.
Neben Pflasterarbeiten und der Installation von fünf rot-weißen Pollern an der Zufahrt von der Rinderztanzstraße („Damit hier nicht wild geparkt wird“) steht unter anderem auch noch das Anbringen einer vorläufigen Infotafel auf dem Programm. Die offizielle Infotafel, deren Wortlaut noch mit Opfer-Angehörigen abgestimmt und die mit einem QR-Code versehen sein wird, soll das Provisorium bis spätestens zum 1. Dezember ablösen. Das ist der vierte Jahrestag der Amokfahrt. „Dann“, so kündigt OB Leibe an, „werden wir diese Gedenkstätte offiziell einweihen.“
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